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Köstliches Heben-Holtz von Mauritio 1712

Martin Wintergerst: Reisen auf dem Mittelländischen Meere, der Nordsee, nach Ceylon und nach Java 1688–1710
Erschienen 1712 unter dem Titel: Der durch Europa laufende, durch Asien fahrende, an Amerika und Afrika anlandende und in Ostindien lange Zeit gebliebende Schwabe.
Mit einer Karte von Ceylon. Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompagnien 1602-1797.

S. 24. Kap. 3.
So bald wir nun bey der Insul St. Mauritio anlangten, wurffen wir Ancker, und stiegen an Land, um was wir von leeren Fässern hatten, wieder mit frischem Wasser zu füllen, und einige Victualien einzuladen, worunter viel der Bataten war, welches absonderlich hier wohl zu bekommen, und da an andern Orthen, wo dergleichen wächst, sich sehr viele Ratten aufhalten, welch ihre Nahrung dabey suche, so sieht man hie doch keinen einzigen, und sprechen die Inwohner, es habe sich vorzeiten ein Chineser da eingefunden, welcher solche fort beschworen. Sodann findet man hier wohl der schönsten Schild-Krotten, welche nicht gar
groß, aber aus der massen schön seyn, und gibt eine solcher Schild nicht mehr als eine Tabacks-Dose, ist an der Farb schön goldgelb, und hat ringsweiß herum einen schwartzen Ring, die Thier aber werden nicht gegessen; sonsten gibt’s nicht viel besonders in dieser Insul, darum auch die Holländer solche nicht aestimiren, ohne daß sehr viel Holtz da wachset, worunter das köstliche Heben-Holtz, so wohl schwartz als grün, den Preiß behält, und vor dar wohl in die gantze Welt verführet wird, es wachst so groß, wie bey uns die gröste Linden, man kann aber nur den Kern davon gebrauchen, daß also von einem solchen dicken Stamm etwas ein Bau so dick als eine mittelmässige Tanne kan genommen werden, woraus die Einwohner die trefflichste Arbeit von Kästen und Kirchstuhlen machen, daß ein Stuck auf 200 Reichsthaler verkaufft wird, dann es sind solche Einwohner meistens Europäer, welche die Compagnie, wann sie in der Cap de bonne Esperance nicht wohl gehauset, und liederlich gelebet, hieher verschicket hat, daß es von solchen nach und nach bewohnet worden.

§ 4. Wir luden demnach etliche Stuck Bäum solches Heben-Holtzes in unser Schiff; indem wir aber fast 8 Tage hie lagen, hatte wir eine herrliche Recreation mit der Hirsch-Jagd (...)
Endlich ging es wieder Indien zu, weilen wir aber nacher Ceylon, und nicht geraden wegs auf Batavia wollten fahren, so musten wirtwieder die Aequinoctial-Linie passieren (...)

Martin Wintergerst, gebürtig aus dem schwäbischen Memmingen, hat bereits 11 Jahre Seemannserfahrung, als er im Frühjahr 1699 nach einem Winter ohne Arbeit als Konstable auf dem Schiff Sion der Ostindischen Compagnie anheuert, das nach Ceylon fährt und 1704 von da zurückkehrt. Nach einer zweiten Fahrt kehrt er 1709 nach Memmingen zurück, wo er sich nach einer Wanderung nach Venedig 1710 schließlich in seinem alten Handwerk als Bäcker niederlässt.
Wintergerst verbrachte den Winter 1698/99 zunächst in Amsterdam, dann überwiegend in Rotterdam, im Marz 1699 ging er nach Seeland, und heuerte am 1. Mai dort an und stach am 17. Mai 1699 in See. Das Schiff hatte Proviant für 9 Monate geladen und war mit160 Mann und 36 Kanonen bestückt. Etappen der Fahrt waren der Ärmelkanal, Cap. St. Vincent, nach nach 5-6 Wochen die Kanarischen Inseln, wegen widriger Winde auf der Höhe von 24 Grad bis vor die brasilianische Küste getrieben, wegen einer verheerenden Flaute ca. 6 Wochen bei St. Paul mit großer Hungers-, Wassernot  und Skorbut mit über 60 Toten gelegen; im Oktober schließlich Ankunft auf Dassen Island und dann in der holländischen Kolonie am Kap der Guten Hoffnung dort 6 Wochen Aufenthalt, danach wegen widriger Winde nicht westlich von Madagaskar, sondern östliche Route über das seit 1638 - 1598 holländische Mauritius und schließlich Ende Januar 1700 Ankunft auf Ceylon.
Auf Mauritius wurde Ebenholz geladen, nach dem wiederholten Proviantfassen die erste Ladung einer Fracht, die später vor allem Gewürze wie Zimt, Pfeffer und Baumwolle umfasste.