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Geschichte des Sägefurniers

Die Industrialisierung am Anfang des 19. Jahrhunderts

Das Sägen von Furnieren auf Maschinen ist nicht nur eine Mechanisierung des Sägens von Hand, sondern geht einher mit dem Umbruch von der Feudal- zur Industriegesellschaft. Die meist großflächig verarbeiteten, auf spiegelbildliche Wirkung gefügten Furniere der Klassizimus- und Biedermeierzeit lösen jetzt die Kleinteiligkeit der Flächengestaltung des 18. Jahrhunderts ab und sind Ausdruck einer neuen Ästhetik, die im Widerspruch zu der noch ganz auf Agrarproduktion und traditionellem Handwerk basierenden Ständegesellschaft des 18. Jahrhunderts steht. Diese neue Sichtweise (auch) auf Hölzer erfreut sich an ausdrucksstarken und großen Furnierflächen, die in der Regel nicht schlicht, ebenmäßig und fehlerfrei gewachsen sein müssen.

Jetzt wird sogar genau die Abweichung gesucht, eine abnorme Textur des Holzes wie Flammung, Riegelwuchs, Verkernungen, Schwarzkernigkeit, Augen, Äste, Apfelung, Maserwuchs, Blumigkeit, Muschelwuchs, Wurzel – und Zopfansätze sowie Pyramidenwuchs aus der Gabelung zweier großer Äste werden jetzt als eigener dekorativer Faktor gesehen und mit viel Freude an den Spielarten der Natur als gestalterisches Element mit bestimmender Wirkung für das Erscheinungsbild des Möbels eingesetzt.

Solche Hölzer stellen selbstverständlich viel höhere Anforderungen an die Handwerker, die diese zu Furnieren schneiden mussten, da jede Wirbeligkeit oder irregulärer Verlauf in den Fasern eines Sägeblockes die Gefahr eines Verlaufens der Säge stark erhöhte. Karl Karmarsch fasst die Probleme der Furnierschneider und auch die Anforderungen an solch eine Maschine präzise zusammen: „Wenn es sich um das Zersägen des Holzes in sehr dünne Blätter handelt, wie bei Darstellung der Furnüre der Fall ist, so wird die Aufgabe in gewissem Grade schwierig, weil man es hier meist mit schön gezeichnetem, also unregelmäßig  gewachsenem Holze zu thun hat, welches bei der geringen Dicke ungemein gerne bricht, was oft bis zum Herausfallen größerer oder kleinerer Theile geht. Die Furnürschneidmaschinen müssen daher einen vorzüglich ruhigen Gang und sehr gut beschaffene Sägen haben, welche letzteren zu thunlichster Verminderung des Abfalls sehr dünn zu nehmen sind; zugleich ist hier stets nur eine einzige Säge anwendbar".

Eine solche Furniergattersäge aus dem 19. Jahrhundert arbeitet noch heute bei der Firma Signorello Sägefurniere in Havixbeck!

An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert vollzieht sich also nicht nur ein Wandel in der Art der Betrachtung und damit der Wertschätzung der vornehmlich heimischen Hölzer, sondern auch die Art des Furniersägens wandelt sich durch die neue Nachfrage nach breiten und langen Furnierblättern mit ausgefallenen Zeichnungen.

Im frühem 19. Jahrhundert ist die Front eines typischen Berliner Sekretärs in der Regel aus nur zwei breiten, mittig gestürzten (gespiegelten) Furnierblättern z. Bsp. in Mahagoni furniert, welche in der Länge auf der gesamten Front über alle Profile hinweg ohne Unterbrechung abgewickelt wird. Solche großen Furnierblätter mit ca. 2 Metern Länge und ca. 45 – 50 cm Breite haben für den Schnitt von Hand sicher eine Grenze dargestellt, auch der höhere Verschnitt und das nötige Nacharbeiten von Hand machten das Furnier zu einem überaus kostbaren Gut: oftmals war der Materialwert des aus der Karibik importierten und schon immer überaus kostspieligen Mahagonifurniers annähernd genau so hoch wie der gesamte Wert eines kompletten gleichen Möbels in heimischen Hölzern gefertigt. Dr. Achim Stiegel weist dieses Wertverhältnis in seinem Standardwerk zu Berliner Schreibmöbeln sehr detailliert nach.

Der Tischler Thielemann bietet in einem Angebot zur Möblierung einer Wohnung des Prinzen Wilhelm im Stadtschloss Berlin im Jahr 1803 eine Kommode und einen Bücherschrank an, jeweils in drei Holzarten furniert.

Die Kommode kostete in Erle 18 Taler, in Birnbaum 24 Taler, in Mahagoni dagegen gleich 32 Taler. Ebenso wird der Unterschied bei dem Bücherschrank sichtbar; hier fällt der Unterschied jedoch bauartbedingt wegen der niedrigeren Furnierkosten durch die Glasflächen im Vergleich zum Gesamtmöbel geringer aus. Der „Bücher Spind“ sollte in „Elsen Holz geschliffen“ (Erle) 93 Taler kosten, in Birnbaum waren es moderate 106 Taler und in Mahagoni gleich 135 Taler, also ca. 45 % mehr.

 

Hierdurch wurde das Bemühen um eine preiswerte, möglichst verlustarme und auch schnelle Herstellung des Furniers zusätzlich vorwärts getrieben. Zudem machte die schnell fortschreitende Entwicklung auf dem Gebiet der Sägetechnik am Beginn des industriellen Zeitalters viele Entwicklungen überhaupt erst möglich. Eine nähere Betrachtung der Entwicklung der weit verbreiteten Gattersägen mag dies exemplarisch aufzeigen.

Am Prinzip dieser Sägemaschinen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nichts wesentliches geändert: Der Stamm wird auf einem horizontal sich vorwärts bewegenden Wagen aufgespannt und gegen die in einem Holzrahmen eingespannten, vertikal auf- und abschwingenden (eine oder mehrere) Sägeblätter geführt und so zu Brettern geschnitten. Vielfältige Verbesserungen und verfeinerte Fertigungstechniken ermöglichen jedoch immer bessere Ergebnisse bei Maßhaltigkeit, Oberflächengüte und Schnittqualität der Sägemaschinen. Auch der Einfluss, den angesehene Naturwissenschaftler wie Leonhard Euler (1707- 1783) oder Bernard Forêst de Bélidor (1697 -1761) durch ihre Arbeiten zur Theorie der Sägemaschinen weit über ihre Schaffensperiode hinaus nahmen, wie auch die in dieser Zeit stattfindende Erfindung und Verbreitung der Dampfmaschine beflügeln diese Entwicklung enorm. An Sägemaschinen werden immer mehr präzise bearbeitete gusseiserne Teile eingesetzt, ausgefeilte Lagertechniken mit verschleißarmen bronzenen Gleitlagern verhelfen den Maschinen durch mehr Genauigkeit zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Ergebnisse wie auch der Arbeitsgeschwindigkeit. Den entscheidenden Anstoß für die Entwicklung einer Gattersäge für den spezialisierten Einschnitt von Furnieren leitet dann das nach langjähriger Entwicklungszeit patentierte horizontale Sägegatter durch den Franzosen August Cochot um 1815 ein, und diese primär für den Furniereinschnitt entworfene Säge erfüllt nun endlich alle Anforderungen, um sauber, präzise und schnell mit geringstmöglichem Verlust Hölzer rationell zu Furnieren zu schneiden.

Es ist denn auch dieser Maschinentypus des horizontalen Furniersägegatters mit senkrechter Schnittgutführung, der sogar bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts bestimmend war für den Einschnitt hochwertiger, genau maßhaltiger Furniere und Tonhölzer wie z. B. für die Musikinstrumentenfertigung. Im Jahr 1802 verbindet der Amerikaner Oliver Evans erstmalig eine Dampfmaschine mit einem Sägegatter und erzeugt so das Vorbild eines das ganze 19. Jahrhundert bestimmenden Antriebs der Sägemaschinen.

In Berlin wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Erfindungen bei den Furniersägen gemacht, eine besonders fein und effektiv arbeitende Maschine entwickelte Ernst Francke 1812. Seine Wanderjahre in Frankreich hatte er genutzt, um bei einem in Paris ansässigen Furniersäger wesentliche Merkmale dessen Maschine zu notieren, nach seiner Rückkehr nach Frankfurt an der Oder entwickelte er mit dieser Hilfe eine besonders fein arbeitende Furniersägemaschine. Nach seinem frühen Unfalltod führte dessen Bruder David die Entwicklung dieser viel versprechenden, 1817 patentierten Säge ab 1820 in Berlin fort und betrieb sie ab dort ab 1835 mit einer Dampfmaschine als Antrieb.

Diese Säge konnte erstaunlich präzise und fein schneiden, aus einem Brett von einem Zoll zu 2,616 cm konnte David Francke von zunächst geplanten 10 Blättern Furnier dann nach weiteren Verfeinerungen seiner Technik 1836 sogar 12 Blätter erzielen. Unter Annahme eines minimalen Schnittverlustes von nur ca. 1 mm durch sein patentiertes extradünnes Sägeblatt ergibt sich rechnerisch eine Furnierstärke von 1,26 mm. Dieser Wert stimmt mit vielfach in der Praxis an antiken Möbeln vorgefundenen Furnierdicken, die keiner wesentlichen Überarbeitung unterlagen, völlig überein.

Derartig hoch entwickelte Spezialmaschinen waren jedoch um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch kein allgemein verbreiteter technischer Standard, es gab während des gesamten Jahrhunderts ein Nebeneinander solcher bereits sehr entwickelter Sägemaschinen und auch von Hand in traditioneller Weise geschnittener Furniere, die Verteilung hing neben den örtlichen Gegebenheiten auch von der Kostbarkeit der zu sägenden Hölzer ab: ein teures und dadurch wertvolles 'Pfundholz' fand eher seinen Weg zur besten Furniersägerei als ein preiswertes einheimisches Holz.

Zur gleichen Zeit, in der David Franck in Berlin seine Maschinensäge zur Reife geführt hat, wird in Linz, nur ca. 180 Kilometer von der Metropole Wien entfernt, das benötigte Furnier noch in der Arbeitsweise des frühen 18. Jahrhunderts hergestellt: diese Arbeitsweise ist glücklicherweise auf einem Gemälde mit der fotografisch präzisen und sehr detaillierten Innenansicht einer Tischlerwerkstatt festgehalten; auf dem Bild der vermutlich elterlichen Werkstatt in Linz stellt Johann Baptist Reiter (1813-1890) genau diesen Vorgang des Furniersägen mit einer Furnierklobsäge mit sehr breitem Blatt an einem senkrecht eingespannten Stamm durch zwei Gesellen in der Werkstatt seines Vaters detailreich dar. Dieses um 1835 entstandene Bild zeigt die lange parallele Existenz von handwerklicher Arbeitsweise in der Werkstatt und maschineller Furniersägerei auf den Furniergattern.
Detailausschnitt

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